Gerichtspraxis

Richterin und Mitarbeiter im Gespräch
Foto: BVwG

Die Gerichtspraxis dient dazu, jenen Personen, die ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, die Möglichkeit zu geben, ihre Rechtskenntnisse durch eine Tätigkeit bei den Gerichten zu vertiefen.

Rechtspraktikantinnen bzw. Rechtspraktikanten können nach einer fünfmonatigen Ausbildung bei einem Bezirks- und Landesgericht (bzw. bei einer Staatsanwaltschaft) gemäß § 6 Abs. 3 Z 7 Rechtspraktikantengesetz (RPG) (auch) am Bundesverwaltungsgericht ausgebildet werden.

Die Ausbildung am Bundesverwaltungsgericht erfolgt für zwei Monate und wird Rechtspraktikantinnen bzw. Rechtspraktikanten ermöglicht, die den richterlichen Vorbereitungsdienst nicht anstreben.

Voraussetzungen

Die Zulassung zur Gerichtspraxis setzt einen rechtswissenschaftlichen Studienabschluss voraus.

Die österreichische Staatsbürgerschaft ist keine Voraussetzung für die Zulassung. Allerdings muss die deutsche Sprache soweit beherrscht werden, dass einer mündlichen Verhandlung gefolgt werden kann.

Anmeldung und Zuweisung

Der Antrag auf Zulassung zur Gerichtspraxis ist an die Präsidentin bzw. den Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichtes zu richten. Auf dem Gesuch um Zulassung ist als Zuteilungswunsch das Bundesverwaltungsgericht anzugeben.

Genaue Informationen sind dem Informationsangebot des jeweiligen Oberlandesgerichtes zu entnehmen:

Die Zuweisung der Rechtspraktikantinnen bzw. Rechtspraktikanten erfolgt ebenfalls durch das zuständige Oberlandesgericht.

Aufgaben am Bundesverwaltungsgericht

Im Rahmen der Ausbildung wird den Rechtspraktikantinnen bzw. Rechtspraktikanten durch die Möglichkeit der Mithilfe bei der Bearbeitung von beim Bundesverwaltungsgericht regelmäßig anfallenden Angelegenheiten ein möglichst umfassender Einblick in die richterliche Tätigkeit vermittelt.

Zu den Aufgaben während der Gerichtspraxis können unter anderem die Konzeption von Entscheidungsentwürfen, das Aufbereiten von Akten sowie die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen zählen.

Rechtliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen zur Gerichtspraxis sind im Rechtspraktikantengesetz (RPG) geregelt.

Weiterführende Informationen

Weitergehende Informationen zur Gerichtspraxis finden sich insbesondere unter:

www.justiz.gv.at/karriere-in-der-justiz/ausbildungen/rechtspraktikant-in-gerichtspraxis.bc3.de.html

 

Aus einem Interview mit einer ehemaligen Rechtspraktikantin am Bundesverwaltungsgericht

Mein erster Tag am BVwG diente vor allem dazu, einen Überblick zu gewinnen und sich im neuen Umfeld zu orientieren.

Zunächst erhielt ich eine kurze Einführung in die Tätigkeitsbereiche des BVwG. Anschließend wurde mir mitgeteilt in welcher Kammer und welcher Richterin ich zugeteilt worden bin. Nachdem die administrativen Angelegenheiten, wie Einweisung in die IT-Systeme und Vergabe von Zugangsdaten und Erklärung der internen Kommunikationswege und Abläufe geklärt waren, folgte die Begrüßung durch die Ausbildungsrichterin.

Nach dem Erstgespräch mit meiner Richterin, durfte ich diese sogleich in eine Verhandlung begleiten und mir wurde ein erster einfacher Fall zur Bearbeitung zugeteilt.

Die Zusammenarbeit mit meiner Ausbildungsrichterin war insgesamt sehr positiv und lehrreich. Ich erhielt fundierte Einblicke in komplexe Rechtsmaterien. Die mir übertragenen Aufgaben waren herausfordernd und spannend. Ein regelmäßiger Austausch und offene Feedbackgespräche waren besonders hilfreich für meine Ausbildung.

Ich habe meine Gerichtspraxis am Bundesverwaltungsgericht als Rechtspraktikantin der Kammer W absolviert. Dabei hatte ich die Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Rechtsbereichen zu sammeln. Ein Schwerpunkt lag dabei auf Medienrecht, da meine Ausbildungsrichterin Teil der Zuweisungsgruppe MED war. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Asyl- und Fremdenrecht. Zusätzlich hatte ich die Gelegenheit an UVP-Verhandlungen teilzunehmen.

Meine Aufgaben waren die Erstellung von Entscheidungsentwürfen, die Vorbereitung von Verhandlungen und auch die Ausarbeitung von Beschlüssen. Diese Tätigkeit ermöglichte mir einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise eines Verwaltungsgerichts und die praktische Anwendung von Verwaltungsverfahrensrecht. Besonders wertvoll war die Möglichkeit an der Entscheidungsfindung in komplexen Verwaltungsrechtsfällen mitzuwirken.

Der größte Unterschied für mich war, dass sich – abgesehen von den Rechtsmaterien – die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in ihrer Durchführung und Struktur von jenen der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterscheiden.

Die vom BVwG behandelten Rechtsbereiche sind oft äußerst komplex und fachspezifisch. Aufgrund der vorgenannten Faktoren sind die zu bearbeitenden Akten häufig sehr umfangreich.

Von Beginn an habe ich mich in meiner Gerichtsabteilung, sowie auch in der Kammer W gut integriert gefühlt. Es wurde großer Wert daraufgelegt, mir abwechslungsreiche Aufgaben zu unterschiedlichen Themen und Materien zu übertragen. Ich hatte unter anderem auch die Gelegenheit an interessanten Verhandlungen von anderen Gerichtsabteilungen teilzunehmen. Die Zusammenarbeit mit einem engagierten Team von Juristinnen und Juristen sowie Verwaltungsangestellten hat bei mir eine positive Erinnerung hinterlassen.

Zusammengefasst hatte ich das Gefühl, dass sehr darauf geachtet wurde, mir in einer relativ kurzen Zeit einen umfassenden Einblick in die gerichtliche Tätigkeit zu ermöglichen und mir so viel Wissen wie möglich zu vermitteln.

Ja, auf jeden Fall. Ich finde es sehr gut, dass es seit März 2023 die Möglichkeit gibt, die letzte Zuteilung der Gerichtspraxis am Bundesverwaltungsgericht zu absolvieren.

Die Gerichtspraxis am BVwG ist eine sehr gute Chance, ein tieferes Verständnis für Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewinnen.

Die Absolvierung eines Teils der Gerichtspraxis am Bundesverwaltungsgericht kann somit eine ausgezeichnete Grundlage für eine Karriere im öffentlichen Recht oder in der Verwaltung bieten. Das BVwG ist für eine breite Palette von Rechtsgebieten zuständig, diese Vielfalt ermöglicht es Rechtspraktikantinnen bzw. -praktikanten, Einblicke in verschiedene Rechtsbereiche zu gewinnen und ihr Fachwissen zu erweitern.

 

Aus einem Interview mit einem ehemaligen Rechtspraktikanten am Bundesverwaltungsgericht

Vorauszuschicken ist, dass ich (gemeinsam mit einer weiteren Rechtspraktikantin) der erste Rechtspraktikant am BVwG war, nachdem die Möglichkeit zur Zuteilung im Rahmen der Gerichtspraxis geschaffen wurde. Diese Zuteilung war so überraschend, dass seitens des Bezirksgerichts, an welchem ich zu diesem Zeitpunkt tätig war, nachgefragt wurde, ob es sich nicht um einen Fehler handelte.

Der erste Tag lief im Wesentlichen wie jener von Rechtspraktikanteninnen bwz. -praktikanten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ab. Nach der Abholung aus der Personalabteilung durch die Kammerassistenz und einer Vielzahl an Unterschriftsleistungen, wurde ich in meine zugeteilte Kammer geführt. Der Tag begann mit einer umfassenden Begrüßungsmappe mit allen Informationen zum BVwG (Kammern, Geschäftsverteilung, Schwerpunkte des BVWG, etc..), der Verwaltungsgerichtsbarkeit allgemein (Darstellung der hauptsächlich zu behandelnden Beschwerdetypen) und mehreren Listen mit Kontaktdaten aller Personen im Haus. Nach einer kurzen Durcharbeitung dieser Unterlagen wurde ich vom Kammervorsitzenden auf ein Begrüßungsgespräch eingeladen, welches ich in bester Erinnerung habe. Es fand ein Austausch über meine Erwartungen, das BVwG, meinen geplanten Werdegang sowie seine Person statt. In weiterer Folge lernte ich meinen Ausbildungsrichter kennen, welcher mich nach einem weiteren Einführungsgespräch sofort mit dem ersten Akt versorgte und dem Start der Arbeitsaufträge nichts mehr im Wege stand.

Die Zusammenarbeit gestaltete sich hervorragend, da ich sofort in den normalen Arbeitsalltag miteinbezogen wurde. Dementsprechend erhielt ich nach einer kurzen Einführung in die von meinem Richter zu behandelten Rechtsgebiete sofort die ersten Akten um Verfahrensgänge zu verfassen und eine rechtliche Einschätzung des Sachverhalts zu treffen. Meine rechtliche Einschätzung durfte ich meinem Ausbildungsrichter in regelmäßigen Abständen präsentieren und erhielt im Anschluss das „Okay“ für einen Entscheidungsentwurf.

Eine Besonderheit des BVwG ist auch die umfassende Veröffentlichung aller ergangenen Entscheidungen im RIS sowie die außergewöhnliche Arbeit der Evidenz (Entscheidungssammlung und Aufbereitung). Es können ähnlich gelagerte und bereits entschiedene Fälle gesucht und die dazu von Richterinnen bzw. Richtern ausgeführte rechtliche Beurteilung analysiert und verstanden werden. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Qualität von Entscheidungsentwürfen aus, sondern bedeutet für Rechtspraktikantinnen bzw. -praktikanten auch einen erheblichen Lerneffekt. Zudem stand mein Ausbildungsrichter jederzeit für Fragen zur Verfügung und nahm sich Zeit, diese mit mir in seinem Büro zu besprechen.

Meine Aufgaben entsprachen im Wesentlichen einem Ausschnitt der Tätigkeiten eines juristischen Mitarbeiters, mit einer reduzierten Anzahl an zu erledigenden Akten. Dieses mir zuvor völlig unbekannte Berufsbild für den Einstieg in der Verwaltungsgerichtsbarkeit befasst sich im Wesentlichen mit dem Entwerfen von Entscheidungen für die Richter:innen des BVwG, juristischen Recherchen mit einer anschließenden Erörterung von schwierigen Rechtsfragen sowie der Unterstützung der Richter:innen beginnend bei der Aufbereitung des Sachverhalts bis zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung. Meine Tätigkeit als Rechtspraktikant fokussierte sich hier ganz auf den Aspekt der Erstellung von Entscheidungsentwürfen. Besonders hilfreich waren in diesem Zusammenhang die Erklärungen betreffend den Aufbau von Erkenntnissen und dem Vorgehen bei der Sichtung eines Gerichtsakts. Ich wurde der Kammer P (persönliche Rechte) zugeteilt und unterstützte meinen Ausbildungsrichter auf dem Rechtsgebiet des Datenschutzes. Da ich ausschließlich im Datenschutzrecht tätig war, konnte ich in diesem Bereich ein umfassendes Wissen ansammeln und wurde auch mit einer Reihe an Problemen des Verwaltungsverfahrens und den damit einhergehenden rechtlichen Garantien konfrontiert (siehe AVG, VwGVG, B-VG).

Es kommt im Rahmen eines Verwaltungsverfahren nicht ausschließlich auf eine ausgezeichnete Kenntnis des materiellen Rechts in einem bestimmten Rechtsgebiets an, sondern kann ein Bescheid womöglich bereits aufgrund von schwerwiegenden Verfahrensfehlern zu beheben sein oder muss vor dem inhaltlichen Einstieg in eine Sache die eingebrachte Beschwerde in einen der drei grundsätzlichen Beschwerdetypen (Bescheid-, Maßnahmen- und Säumnisbeschwerde) umgedeutet bzw. zur Verbesserung zurückgestellt werden.

Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit, sich über das Berufsbild einer juristischen Mitarbeiterin bzw. eines juristischen Mitarbeiters zu informieren und die Tätigkeit unmittelbar kennenzulernen. Auf Vorschlag meines Ausbildungsrichters, welcher mit meiner Arbeit sehr zufrieden war, nahm ich dies als Gelegenheit direkt in die juristische Arbeitswelt einzusteigen und arbeite seit über einem Jahr (zuerst als Verwaltungspraktikant) und mittlerweile als juristischer Mitarbeiter von drei Richterinnen bzw. Richtern am BVwG.

Ganz besonders aufgefallen ist mir am BVwG, dass ein sehr gutes Verhältnis aller Bediensteten untereinander besteht, da ich als Rechtspraktikant auch von juristischen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern besucht wurde, welche für allerhand Fragen offenstanden und mich zu ihren Mittagspausen einluden. Darüber hinaus kann nur von einer außergewöhnlichen fachlichen Expertise aller Bediensteten sowie jener der Richter:innen gesprochen werden, welche diese auch mit mir teilten.

Ohne Zweifel würde ich die Absolvierung einer Zuteilung der Gerichtspraxis am BVwG empfehlen. Da ich in meiner Studienzeit am Juridicum dem zweiten Studienabschnitt (Zivilrecht) nicht besonders viel abgewinnen konnte, war ich über eine Zuteilung im öffentlichen Recht äußerst erfreut.