Auslegung der EU-Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP-Richtlinie)
 

20.3.2025

S1 Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat – Süßenbrunn, 2. Vorhabensabschnitt („Lobautunnel“), wasserrechtliche Verfahren

W104 2247714-1/144Z vom 5.3.2025, C-189/25

Ausgangsverfahren sind die wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren zum 2. Vorhabensabschnitt des Bundesstraßenbauvorhabens „S 1 Wiener Außenring Schnellstraße, Abschnitt Schwechat – Süßenbrunn“ (sog. Lobautunnel).

Im Beschwerdeverfahren geht es unter anderem um die Frage, ob die wasserrechtliche Genehmigung für den Bau des Lobautunnels auch in dem Fall erteilt werden kann, dass der Plan, der die Grundlage für die Entscheidung über den Trassenverlauf gebildet hat, im Widerspruch zu den Vorgaben des Artikels 3 der EU-Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP-Richtlinie) keiner Strategischen Umweltprüfung (SUP) und keinem Screening unterworfen wurde.

Das österreichische nationale Bundesstraßennetz bilden die in den Verzeichnissen 1 (Autobahnen) und 2 (Schnellstraßen) des Bundesstraßengesetzes (BStG) beschriebenen Straßenzüge. Diese sind dort in Form von topographischen Fixpunkten beschrieben, zwischen denen die Bundesstraße eine Verbindung herstellt. Diese beiden Verzeichnisse des BStG stellen einen verpflichtend zu erlassenden Plan aus dem Bereich Verkehr dar, für den der österreichische Gesetzgeber in Umsetzung der SUP-Richtlinie im Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) eine SUP-Pflicht für Änderungen dieser Verzeichnisse festgelegt hat.

Die Erst-Aufnahme der S1 in das Verzeichnis 2 des BStG fiel unstrittig nicht in den zeitlichen Geltungsbereich der SUP-Richtlinie, da diese nur für jene Pläne gilt, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt nach dem 21.7.2004 angenommen worden ist. Eine „S1 Wiener Außenring Schellstraße“ wurde bereits am 29.3.2002 in das Verzeichnis 2 zum BStG aufgenommen. Für spätere Änderungen an den Anschlussstellen, und zwar insbesondere für die Verlängerung der A 23 Autobahn Südosttangente Wien („Knoten bei Raasdorf [A 23]“) und die Verschwenkung der A 22 Donauufer Autobahn unter Wegfall des Wegpunktes „Wien [Albern - Lobau/Ölhafen (A 22)“, der mit einer Untertunnelung der Donau verbunden war, wurde keine SUP und kein Screening durchgeführt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 18.5.2018 wurde die UVP-Genehmigung für das Gesamtvorhaben im Beschwerdeverfahren erteilt und wurde rechtkräftig. In der Folge musste die Projektwerberin ASFINAG jedoch noch weitere Genehmigungen nach Wasserrecht und Naturschutzrecht einholen. Diese befinden sich für den eigentlichen Tunnelabschnitt noch im Stadium des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG und sind somit noch nicht rechtskräftig erteilt.

In seiner seit Erlassung der UVP-Genehmigung ergangenen Judikatur (vgl. EuGH 25.6.2020, C-24/19, EU:C:2020:503, A ua) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass die Gerichte „Maßnahmen zur Aussetzung oder Aufhebung des unter Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung erlassenen Plans oder Programms ergreifen sowie eine bereits erteilte Genehmigung zurücknehmen oder aussetzen müssen, damit die Prüfung durchgeführt werden kann.“ Aus diesem Grund stellt sich nun in den laufenden Wasserrechtsverfahren die Frage, welche Konsequenz Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die SUP für die erfolgten Änderungen des BStG für diese Genehmigungen haben.

Das BVwG hat daher an den EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob

  • es sich bei den Verzeichnissen zum BStG, die das Bundesstraßennetz (Autobahnen und Schnellstraßen) grob festlegen, überhaupt um einen Plan handelt, der den Bestimmungen der SUP-Richtlinie unterliegt,
  • die Änderungen bei den Anschlussstellen an der S1, die nach Umsetzungsfrist der SUP-Richtlinie ohne SUP und ohne Screening erfolgt sind, unter die Übergangsbestimmungen dieser Richtlinie fallen, wonach erste förmliche Vorbereitungsakte für diese Änderungen, die vor Ende der Umsetzungsfrist ergangen sind, von den Anforderungen der Richtlinie ausgenommen sind, und
  • ob ein allfälliger Verstoß gegen diese Richtlinie Konsequenzen nur für die vorangegangene UVP-Genehmigung hätte, die allein die Trasse festlegt, die durch die BStG-Verzeichnisse vorgezeichnet ist (die aber im konkreten Fall bereits rechtskräftig ist und nicht mehr aufgehoben werden kann), oder ob derartige Konsequenzen auch für die nachfolgenden Genehmigungen nach Wasserrecht und Naturschutzrecht zwingend sind, diese also gegebenenfalls aufzuheben wären.

W104 2247714-1/144Z vom 5.3.2025

Die Vorlagefragen lauten:

1. Ist das Unionsrecht, insbesondere die Art. 2 lit. a und Art. 3 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie), so auszulegen, dass ein Anhang zu einer nationalen gesetzlichen Vorschrift (Verzeichnis), der Straßenzüge durch die Festlegung bestimmter geographischer Punkte (Anfangs-, Zwischen-[Weg-], Endpunkte) zu „Bundesstraßen“ erklärt, wobei diese Festlegung verbindlich die Berechtigung zur Stellung eines Antrags auf Bestimmung des Verlaufs der Straße im Rahmen eines künftig zur Genehmigung einzureichenden konkreten Projekts und die Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde definiert, einen „Rahmen für eine künftige Genehmigung“ von in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) aufgeführten Projekten setzt, auch wenn diese gesetzliche Vorschrift für die Genehmigung des Projekts zwar spezifische Genehmigungsvoraussetzungen vorsieht, darunter insbesondere die Straßenverkehrssicherheit, die funktionelle Bedeutung oder die Umweltverträglichkeit, diese Genehmigungsvoraussetzungen jedoch auf die Festlegung des Straßenzugs durch geographische Punkte nicht weiter Bezug nehmen?

Sollte Frage 1. bejaht werden:

2. Ist Artikel 13 Abs. 3 der SUP-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass ein erster förmlicher Vorbereitungsakt im Sinn dieser Bestimmung bereits vorliegt, wenn Unterlagen, die nach dem im Mitgliedstaat anwendbaren einschlägigen Fachrecht vor einer Planänderung zu erstellen sind, in Ausarbeitung waren und diese während ihrer Ausarbeitung auch wiederholt beteiligten Gebietskörperschaften, Standortgemeinden und Genehmigungsbehörden vorgestellt wurden sowie ein beratendes Sachverständigengremium darüber beraten hat?

3. Ist Art. 3 Abs. 2 lit. a der SUP-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass im Fall, dass ein konkretes Projekt nach der UVP-Richtlinie in mehreren Stufen genehmigt wird, ein Plan, dessen Kriterien und Modalitäten unmittelbar nur die Grundlage für die erste Genehmigung bilden, auch einen Rahmen für alle weiteren für die Durchführung des Vorhabens notwendigen Genehmigungen setzt?