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20.12.2024
Änderung eines öffentlichen Bauauftrages ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens
Wann und unter welchen Umständen ist die Änderung eines öffentlichen Bauauftrages ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig?
W606 2295204-1/33Z vom 25.11.2024, C-820/24
In dem vom Bundesverwaltungsgericht an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen geht es im Wesentlichen um Fragen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen in einem öffentlichen Vergabeverfahren vergebene Bauaufträge ohne die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens im Lichte von Art. 72 der RL 2014/24/EU geändert werden dürfen.
Im Jahr 2022 führte die Auftraggeberin ein offenes Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen für einen bestimmten Teil eines größeren Gebäudekomplexes durch. Bereits rund einen Monat vor dem Vertragsabschluss kam es jedoch in einem anderen Gebäudeteil zu einem Brand, der dort auch erhebliche Schäden versuchte. Erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Vertragsabschluss) zeigte sich jedoch, dass infolge des Brandschadens ein verändertes Raum- und Funktionskonzept im Gebäudekomplex notwendig sei. Die beauftragten Leistungen wurden aus diesem Grund nicht wie ursprünglich beauftragt durchgeführt. Zunächst dürfte die Auftraggeberin Leistungen abbestellt haben. Nach dem Ende des vereinbarten Ausführungszeitraums dürfte es zwischen der Auftraggeberin und der Auftragnehmerin auch zu einer Vertragsänderung gekommen sein, die dazu geführt hat, dass Leistungen im beschädigten Gebäudeteil durchgeführt worden sind.
Die Antragstellerin, eine Unternehmerin, die ebenfalls Bauleistungen anbietet, wehrt sich nun gegen diese Auftragsänderung. Sie ist der Ansicht, dass die Auftraggeberin die Leistungen für den beschädigten Gebäudeteil in einem Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung ausschreiben hätte müssen.
W606 2295204-1/33Z vom 25.11.2024
Die Vorlagefragen im Wortlaut:
1. Ist Art. 72 Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. Nr. L 94 vom 28.03.2014 S. 65, zuletzt berichtigt mit ABl. Nr. L, 2023/90063, 03.11.2023, dahin auszulegen, dass eine Änderung eines öffentlichen Auftrags nach dem Ende des vereinbarten Ausführungszeitraums, der Erbringung nicht abbestellter Leistungen sowie der Legung der Schlussrechnung durch die Auftragnehmerin, aber vor der Zahlung des Entgelts durch die Auftraggeberin, als Änderung eines öffentlichen Auftrags „während seiner […] Laufzeit“ zu qualifizieren ist?
Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird:
2. Ist Art. 72 Abs. 1 lit. c sublit. i der Richtlinie 2014/24/EU dahin auszulegen, dass Umstände, die eine ihrer Sorgfaltspflicht nachkommende öffentliche Auftraggeberin „nicht vorhersehen konnte“, auch externe Umstände erfassen, die zwar vor Vertragsabschluss erfolgt sind, deren Auswirkungen auf den öffentlichen Auftrag sich jedoch erst nach Vertragsabschluss offenbaren?
Für den Fall, dass neben der ersten auch die zweite Frage bejaht wird:
3. Ist Art. 72 Abs. 1 lit. c sublit. i in Verbindung mit sublit. ii der Richtlinie 2014/24/EU dahin auszulegen, dass eine Änderung eines öffentlichen Auftrags aufgrund der Umstände, die eine ihrer Sorgfaltspflicht nachkommende öffentliche Auftraggeberin nicht vorhersehen konnte, auch dann „erforderlich“ ist, wenn die Änderung zwar „zweckmäßig“, aber nicht „unbedingt notwendig“ ist, solange sich der Gesamtcharakter des Auftrags aufgrund der Änderung nicht verändert?