26.9.2024

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Erfolgt beim Hochladen von urheberrechtlich geschützten Werken und Schutzgegenständen auf große Online-Plattformen, durch das in weiterer Folge dortige Speichern dieser Inhalte und schließlich die öffentliche Wiedergabe derselben jeweils auch eine Vervielfältigung im Sinne des Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG? Hat für eine solche allfällige Vervielfältigung der Nutzer der Online-Plattform oder die Online-Plattform die benötigte Erlaubnis einzuholen? Welcher Verwertungsgesellschaft kommen die Rechte aus dieser allfälligen Vervielfältigung zu?

W179 2267863-1/22Z und W179 2280396-1/10Z vom 30. August 2024, Rs C-579/24 

Im Ausgangsverfahren beantragte die erste der beiden beschwerdeführenden Verwertungsgesellschaften bei der Aufsichtsbehörde (für Verwertungsgesellschaften) ua die Feststellung, dass ihre geltende Wahrnehmungsgenehmigung die Vervielfältigung zum Zweck der Sendung und öffentlichen Zurverfügungstellung von großen Online-Plattformen (§ 18c UrhG) umfasst.

Über diesen Antrag entschied die Aufsichtsbehörde mit verfahrensgegenständlichem Bescheid (wortwörtlich) wie folgt:

 „(1) Der Antrag, festzustellen, dass die derzeit geltende Wahrnehmungsgenehmigung der [ersten Verwertungsgesellschaft] die Vervielfältigung von Werken seitens Anbieter großer Online-Plattformen iSd § 18c des Urheberrechtsgesetzes, BGBI. Nr. 111/1936 idgF (UrhG) zum Zweck der Zurverfügungstellung und der Sendung umfasst, wird abgewiesen.

(2) Amtswegig wird festgestellt, dass die derzeit geltende Wahrnehmungsgenehmigung der [zweiten Verwertungsgesellschaft] auch eine allfällige Vervielfältigung von Werken seitens Anbieter großer Online-Plattformen zum Zweck der Sendung und der öffentlichen Zurverfügungstellung iSd§ 18cUrhG umfasst.

Rechtsgrundlage: § 10 des Verwertungsgesellschaftengesetzes 2016, BGBI. l Nr. 27/2016 (VerwGesG 2016).“

Begründend führte die Aufsichtsbehörde dazu in ihrem Bescheid (an dessen Ende) als Zusammenfassung (wortwörtlich) aus wie folgt:

„- Es ist zweifelhaft, ob das Vervielfältigungsrecht von den in § 18c UrhG erfassten Vorgängen überhaupt betroffen ist. Gegen diese Annahme sprechen insbesondere, (i) dass sowohl die Richtlinienvorgabe (Art 17 Richtlinie (EU) 2019/790) als auch die nationalen Umsetzungsbestimmungen (insbesondere § 18c, § 24a sowie § 89a UrhG) ausschließlich das unkörperliche Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe nach Art 3 InfoSoc-RL 2001/29/EG adressieren, welches in Österreich in Form des Senderechts (§ 17 UrhG) und des Zurverfügungstellungsrechts (§ 18a UrhG) umgesetzt wurde, und (ii) die Ausführungen der Europäischen Kommission in ihren Leitlinien zu Art 17 Richtlinie (EU) 2019/790.

- Selbst wenn man davon ausgeht, dass die tatbildliche Nutzungshandlung nach Art 17 Richtlinie (EU) 2019/790 das Vervielfältigungsrecht berührt, kann aus dem Regelungsanliegen der Norm nur gefolgert werden, dass eine Nutzungserlaubnis nach § 18c UrhG für die Sendung und/oder Zurverfügungstellung von Werken auf großen Online-Plattformen zwingend auch all jene Vervielfältigungshandlungen miteinschließt, die technisch erforderlich sind, um der Öffentlichkeit Zugang zu den von den Plattformnutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken zu verschaffen.

- Das Vervielfältigungsrecht kann daher jedenfalls im Anwendungsbereich des § 18c UrhG nicht künstlich von der Sendung bzw der öffentlichen Zurverfügungstellung abgespalten und folglich auch nicht separat lizenziert bzw isoliert einer Verwertungsgesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung überlassen werden.“

Gegen diesen Bescheid erheben beide Verwertungsgesellschaften Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und bekämpfen Spruchpunkte (1) und (2) des angefochtenen Bescheids. Zudem regen beide Beschwerdeführerinnen an, an den EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen. Die Aufsichtsbehörde schließt sich dieser Anregung an.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellten sich dem Bundesverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren mehrere Fragen, die es dem EuGH zu beantworten vorlegte:

  1. Gegenständlich sind große Online-Plattformen (Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten) im Sinne des Art 2 Z 6 der Richtlinie (EU) 2019/790, die auch urheberrechtlich geschützte Werke und Schutzgegenstände öffentlich wiedergeben, welche zuvor von Nutzern dieser Plattformen hochgeladen und zu diesem Zweck von den Online-Plattformen (etwa durch Anwendung einer Cloud-Lösung) gespeichert wurden: In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es i) beim Hochladen durch die in Art 17 Abs 2 der Richtlinie (EU) 2019/790 genannten Nutzer, und/oder ii) bei der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne des Art 3 der Richtlinie 2001/29/EG durch die „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ nach Art 2 Z 6 der Richtlinie (EU) 2019/790 auch zu einer „Vervielfältigung“ im Sinne des Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG kommt, für die eine „Erlaubnis“ der in Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Rechteinhaber einzuholen ist. Die Auslegungsbedürftigkeit ergibt sich insbesondere daraus, dass in Art 17 Abs 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 die „Vervielfältigung“ nicht genannt wird. (Fragen 1)
  2. Daran schließt die Frage an, wer (Nutzer oder Diensteanbieter) die allenfalls benötige Erlaubnis zur Vervielfältigung einzuholen hat: i) Im Falle der Bejahung einer Vervielfältigung durch den Diensteanbieter stellt sich zunächst die Frage, ob die vom Diensteanbieter eingeholte Erlaubnis nach Maßgabe des Art 17 Abs 2 der Richtlinie (EU) 2019/790 auch die Vervielfältigung durch den Nutzer im Zuge des Hochladens mitumfasst (Frage 2); ii) falls eine Vervielfältigung durch den Diensteanbieter verneint werden sollte, ergibt sich die Folgefrage, ob der Nutzer für seine Vervielfältigung durch das Hochladen eine gesonderte Erlaubnis benötigt (Frage 3).
  3. Aus der Bejahung einer Vervielfältigung durch den Diensteanbieter ergibt sich schließlich die Frage nach den Verwertungsrechten dahingehend, inwieweit Rechteinhaber das Recht der Vervielfältigung nach Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG einerseits und das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art 3 derselben Richtlinie andererseits zum Zweck der Lizenzierung nach Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 auch einzeln und getrennt voneinander verschiedenen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung (bzw unabhängigen Verwertungsgesellschaften) einräumen können, zumal in diesen Fällen aus wirtschaftlicher Sicht eine einheitliche Nutzungshandlung erblickt werden könnte, für deren Vornahme zwingend beide Rechte erforderlich sind. (Frage 4)

W179 2267863-1/22Z und W179 2280396-1/10Z vom 30. August 2024, Rs C-579/24 

Die Vorlagefragen im Wortlaut:

I. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG sowie Art 17 Abs 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 und Art 9 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ) dahin auszulegen, dass ein Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten gemäß Art 2 Z 6 der Richtlinie (EU) 2019/790, der die von Nutzern hochgeladenen Werke und andere Schutzgegenstände speichert, abgesehen von einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe (oder einer Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung) im Sinne des Art 3 der Richtlinie 2001/29/EG auch eine Vervielfältigung im Sinne des Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt oder ihm diese zuzurechnen ist, und dafür die gesonderte Erlaubnis der in Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Rechteinhaber einzuholen hat?

II. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 17 Abs 1 und Abs 2, sowie Art 1 Abs 2 und Art 2 Z 6 der Richtlinie (EU) 2019/790 dahin auszulegen, dass eine von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten im Sinne des Art 2 Z 6 der Richtlinie (EU) 2019/790 eingeholte Erlaubnis zur Vervielfältigung auch für die von den Nutzern solcher Plattformen ausgeführten oder diesen zuzurechnenden Vervielfältigungshandlungen gilt, sofern diese nicht auf der Grundlage einer gewerblichen Tätigkeit erfolgen oder mit ihrer Tätigkeit nicht erhebliche Einnahmen erzielt werden?

III. Falls die erste Vorlagefrage verneint wird:

lst das Unionsrecht, insbesondere Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG und Art 17 Abs 2 Richtlinie (EU) 2019/790 dahin auszulegen, dass Nutzer von Angeboten von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten im Sinne des Art 2 Z 6 Richtlinie (EU) 2019/790 durch das Hochladen zum Zwecke der Speicherung und des Teilens urheberrechtlich geschützter Werke und Schutzgegenstände Vervielfältigungen im Sinne des Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG vornehmen und dafür eine Erlaubnis der in Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Rechteinhaber bedürfen?

IV. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

lst das Unionsrecht, insbesondere Art 4, Art 5 und Art 16 Abs 1 und Abs 2 der Richtlinie 2014/26/EU dahin auszulegen, dass Rechteinhaber das Recht der Vervielfältigung nach Art 2 der Richtlinie 2001/29/EG einerseits und das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art 3 derselben Richtlinie andererseits zum Zweck der Lizenzierung nach Art 17 Abs 1 und Abs 2 der Richtlinie (EU) 2019/790 auch einzeln und getrennt voneinander einer Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung (bzw einer unabhängigen Verwertungseinrichtung) einräumen können, sei es, um diese Rechte entweder durch verschiedene Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung (bzw unabhängige Verwertungseinrichtungen) wahrnehmen zu lassen, oder um diese Rechte teilweise individuell wahrzunehmen?